Seelische Gesundheit: psychisch stark in die Zukunft
Warum seelische Gesundheit Chefsache ist – persönliche Einordnung, Gen-Z-Perspektive, fünf Führungshebel, Hilfsangebote und Ressourcen zur Aktionswoche.
· von Marlow D. Guttmann
Es ist Oktober in Hamburg. Draußen grau, drinnen warmes Licht. Ich sitze mit einem Kaffee und denke an die Woche der seelischen Gesundheit. Das Motto passt: Lasst Zuversicht wachsen. Psychisch stark in die Zukunft. Genau darum geht es hier – persönlich, aber auch mit Blick auf die Arbeitswelt und auf junge Menschen, die ich begleite.
Warum das Thema uns alle angeht
Seelische Gesundheit ist kein Randthema. Sie entscheidet mit darüber, wie wir führen, lernen, zusammenarbeiten und innovativ bleiben. In Unternehmen spüren wir das konkret: Wenn Menschen fehlen, tragen Teams mit. Wenn niemand über Belastung spricht, rutschen Qualität und Miteinander langsam ab. Gute Führung denkt Leistung und Menschlichkeit zusammen. Nicht entweder oder, sondern beides.
Gen Z und junge Beschäftigte
In Mentoring-Gesprächen höre ich viel über Erschöpfung, Einsamkeit und Zukunftsfragen. Viele jonglieren Jobstart, Erwartungen, Social-Media-Vergleiche und ein Weltgefühl, das selten leicht ist. Mein Eindruck: Junge Menschen sind nicht „zu sensibel“. Sie sind ehrlich. Sie benennen, was drückt. Das ist eine Stärke, die Führung aufnehmen sollte. Wer heute führt, führt generationenübergreifend. Psychische Gesundheit ist Teil von Verantwortung.
Drei blinde Flecken
- Unsichtbarkeit: Ein Gipsarm wird gesehen, Schlaflosigkeit nicht.
- Fehlanreize: Dashboards lieben Output, nicht Erholung, Übergaben und realistische Ziele.
- Sprache: „Reiß dich zusammen“ wirkt wie ein Stoppschild, nicht wie Hilfe.
Fünf Führungshebel, die wirken
- Prioritäten und Last steuern: Einmal pro Quartal bewusst Dinge beenden. Eine Stop-Doing-Liste schützt Qualität und Menschen.
- Psychologische Sicherheit stärken: Fehler und Gegenrede explizit einladen. Bei Kritik zuerst Danke, dann Antwort.
- Gesprächsqualität erhöhen: In 1:1-Check-ins drei Fragen stellen: Was zehrt? Was nährt dich? Was brauchst du konkret von mir?
- Arbeitsorganisation beruhigen: Fokuszeiten, Meeting-Diät, weniger Kontextwechsel, verlässliche Pausen. Konzentration ist Prävention.
- Wege zur Hilfe sichtbar machen: Interne Angebote, Betriebsärztinnen und -ärzte sowie externe Hotlines regelmäßig kommunizieren.
Zwischenfazit: Wo Bindung und Sicherheit steigen, sinken Fehlzeiten und Präsentismus. Kultur zahlt direkt auf Gesundheit ein.
Über die Arbeit hinaus
Seelische Gesundheit nährt sich aus Beziehungen, Sinn, Schlaf, Bewegung und digitaler Hygiene. Wer nur an der Workload schraubt, kuriert Symptome. Nachhaltig wird es, wenn wir Arbeit, Lernen und Leben zusammen denken und Hilfe normal machen. Früh reden heißt früh handeln.
Praxisfokus
Als Teil der Evangelischen Stiftung Alsterdorf erlebe ich, wie wichtig verlässliche Versorgung ist. Die Heinrich-Sengelmann-Kliniken (Tochtergesellschaft der Ev. Stiftung Alsterdorf) leisten genau das – ambulant, tagesklinisch und stationär. In Gesprächen höre ich immer wieder den gleichen Kern: Entstigmatisierung und niedrigschwellige Zugänge sind entscheidend. Das deckt sich mit meiner Erfahrung aus Teams und Projekten.
Aktionswoche: Materialien, Termine, Mitmachen
Die Woche der seelischen Gesundheit läuft vom 10. bis 20. Oktober. Veranstaltungen, Materialien und Ansprechstellen findest du unter seelischegesundheit.net.
FAQ
Was bedeutet psychologische Sicherheit im Team?
Ein Klima, in dem Fragen, Zweifel und Gegenpositionen ohne Angst vor Bloßstellung möglich sind. Das fördert Lernen, Qualität und Frühwarnsignale.
Woran erkenne ich Warnsignale in Teams?
Auffälliger Rückzug, mehr Konflikte, sinkende Qualität, stille Meetings, gereizte Kommunikation. Nachfragen hilft mehr als urteilen.
Welche Maßnahmen sind kurzfristig wirksam?
Belastung spürbar senken, Fokuszeiten und Meeting-Diät einführen, klare 1:1-Check-ins, Hilfewege prominent machen, Führungskräfte gezielt briefen.
Wie berücksichtige ich die Gen Z besser?
Transparente Ziele, regelmäßiges Feedback, Beteiligung, flexible Lernwege und ernst genommene Werte wie Sinn, Fairness und Nachhaltigkeit.
30-Tage-Plan für Führungsteams
- Woche 1: Team-Signalcheck, Stop-Doing-Liste starten.
- Woche 2: Meeting-Regeln und psychologische Sicherheit vereinbaren.
- Woche 3: Fokuszeiten pilotieren, 1:1-Check-ins verankern.
- Woche 4: Hilfsangebote sichtbar machen, Retrospektive und nächste Schritte festlegen.
Faktencheck: Seelische Gesundheit – Zahlen & Trends
Kurz, klar, einordnend. Die wichtigsten Punkte für Führung, HR und Teams – mit Quellen.
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Aktionswoche 10.–20. Oktober
Die Woche der Seelischen Gesundheit 2025 läuft bundesweit vom 10. bis 20.10. – Motto: „Lass Zuversicht wachsen – Psychisch stark in die Zukunft“.
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17,4 % Anteil am Krankenstand
Psychische Erkrankungen verursachten 2024 17,4 % des Krankenstands (DAK-versicherte Beschäftigte).
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7 % mit Krankschreibung wegen Psyche
Rund 7 % der Beschäftigten hatten 2024 mindestens eine AU aufgrund einer psychischen Diagnose (DAK-Daten).
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Ø 28,1 AU-Tage je Fall
Mitarbeitende mit psychischen Erkrankungen fehlten im Schnitt 28,1 Tage je Fall – deutlich länger als bei vielen anderen Diagnosen.
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+47 % in 10 Jahren
AU-Tage wegen psychischer Erkrankungen stiegen binnen zehn Jahren um knapp 47 %.
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Langzeit-Erkrankungen treiben Fehltage
40 % aller Fehltage entfielen 2024 auf Langzeit-Erkrankungen > 6 Wochen; psychische Diagnosen gehen überdurchschnittlich oft mit langen Ausfällen einher.
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Weltweit: 12 Mrd. Arbeitstage verloren
Durch Depression und Angst gehen weltweit jährlich geschätzt 12 Milliarden Arbeitstage verloren – Produktivitätskosten ca. 1 Billion US-$.
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Über 1 Milliarde Betroffene
Die WHO schätzt 2025: Über eine Milliarde Menschen leben mit psychischen Gesundheitsproblemen – Tendenz steigend.
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Einsamkeit bei jungen Menschen
Laut Präventionsradar berichtete etwa ein Drittel der 9–17-Jährigen von erhöhter Einsamkeit; 8 % fühlten sich oft einsam (bei niedrigem Sozialstatus 19 %).
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Datenlücke schließt sich: JEPSY (16–25)
Die RKI-JEPSY-Studie legt einen Schwerpunkt auf die psychische Gesundheit von 16–25-Jährigen – für bessere Daten und Prävention.

